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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 14 A 66/09
Rechtsgebiete: VwGO, JAG 1993, JAG 2003
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
JAG 1993 § 2 | |
JAG 1993 § 4 Abs. 2 Satz 3 | |
JAG 1993 § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 | |
JAG 1993 § 11 Abs. 2 | |
JAG 1993 § 12 Abs. 2 | |
JAG 2003 § 66 Abs. 1 Satz 2 |
Bei Vorliegen eines triftigen Grundes kann von der Soll-Vorschrift des § 11 Abs. 2 JAG 1993 abgewichen werden, wonach bei der Bewertung der Aufsichtsarbeiten im ersten juristischen Staatsexamen einer der Prüfer dem Kreis der Hochschullehrer angehören soll.
Die gemäß § 12 Abs. 2 JAG 1993 notwendige "selbständige Begutachtung" der Hausarbeit setzt nicht voraus, dass Mitglieder der Prüfungskommission die Bewertung der jeweils anderen Prüfer nicht kennen.
Tatbestand:
Die Klägerin wurde im Jahr 2005 zur Wiederholung der ersten juristischen Staatsprüfung zugelassen. Nach Ablegung der schriftlichen und mündlichen Prüfung wurde die Staatsprüfung im Juli 2006 für endgültig nicht bestanden erklärt. Widerspruch und Klage hatten ebenso wie der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung keinen Erfolg.
Gründe:
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sind nicht gegeben.
Das VG ist davon ausgegangen, dass die von der Klägerin gerügten Begründungsmängel nicht vorliegen. Dagegen wendet die Klägerin ein, dass den Bewertungsbegründungen der schriftlichen Prüfungsarbeiten durchweg der relative Bewertungsbezug und häufig die Einordnung in einen allgemeinen Schwierigkeitsrahmen fehle. Zum Teil rügt sie auch, dass nicht mitgeteilt werde, "wo mit ihrer Prüfungsleistung die Klägerin im Verhältnis zu den Mitprüflingen anzusiedeln" sei oder wie ihre Leistung "in das allgemeine Leistungsgefüge" einzuordnen sei. Diese Einwände greifen nicht durch.
Leistungsanforderungen und Maßstäbe für die fachliche Bewertung der Prüfungsarbeiten sind in § 2 JAG 1993 geregelt, der gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 JAG 2003 für die Prüfung der Klägerin anzuwenden ist.
Vgl. Senatsbeschluss vom 23.8.2007 - 14 A 3270/06 -, NRWE.
Maßgeblich ist danach nicht ein "relativer Bewertungsbezug" oder ein "allgemeines Leistungsgefüge" bezogen auf die Prüfungsleistungen in einem bestimmten Prüfungstermin. Die Einordnung der Leistungen der Klägerin durch die Prüfer in Bezug auf die gesetzlich formulierten Anforderungen, die "von einer sachkundigen Einschätzung 'durchschnittlicher Anforderungen' auszugehen hat", Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rdnr. 541, ergibt sich aus der Notenvergabe. Im übrigen ist das VG zu Recht davon ausgegangen, dass entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung und derjenigen des Senats die Prüfer schriftlicher Arbeiten nicht verpflichtet sind, darüber hinaus den Schwierigkeitsgrad einer Prüfungsarbeit oder einen Bezugsrahmen in der Begründung darzulegen.
Vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 23.8.2007, a. a. O., und vom 28.11.2007 - 14 A 4562/06 -, NRWE.
Eine solche Pflicht hat auch das BVerwG in seinem von der Klägerin für ihre Auffassung in Anspruch genommenen Urteil vom 6.9.1995 - 6 C 18.93 -, BVerwGE 99, 185, nicht konstatiert.
Die Bewertung ist allerdings angemessen zu begründen. Der Prüfer ist verpflichtet, durch die Angabe der für seine Bewertung tragenden Erwägungen dem Prüfling die effektive Wahrnehmung von Rechtsschutz gegen die Prüfungsentscheidung zu ermöglichen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 - 1 BvR 419/81 u.a. -, BVerfGE 84, 34 (B I 2).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die wertenden Urteile, die einer Prüfungsnote zugrunde liegen, in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird, und dass die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, sich nicht regelhaft erfassen lassen.
BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991, a. a. O. (B II 2); BVerwG, Urteile vom 9.12.1992 - 6 C 3.92 -, BVerwGE 91, 262 (Juris-Rdnr. 30), und vom 6.9.1995, a. a. O., (Juris-Rdnr. 32).
Die Möglichkeit ihrer Darstellung ist dadurch begrenzt. Deshalb sind an Inhalt und Umfang der Begründung nicht zu hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachvollzogen werden können. Dies missachtende Begründungsmängel hat die Klägerin nicht dargetan.
Die prüfungsspezifische Einschätzung des Schwierigkeitsgrades einer Prüfungsaufgabe muss nur dann Gegenstand der Bewertungsbegründung sein, soweit der Prüfer seine Bewertung darauf stützt. Dann muss er gegebenenfalls auch die für ihn maßgeblich gewesenen Anknüpfungspunkte benennen.
Vgl. BVerwG, Urteil 6.9.1995, a. a. O., (Juris-Rdnr. 33).
Die von der Klägerin bemängelte Begründung des Zweitprüfers ihrer Hausarbeit, dass "angesichts der einschlägigen Rechtsprechung, die zu den aufgeworfenen Fragen hinreichend vorhanden ist, die Arbeit keinen besonderen Schwierigkeitsgrad" aufweist, benennt einen solchen Anknüpfungspunkt für die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades. Damit weist der Prüfer erkennbar darauf hin, dass nach seiner Auffassung die für die Aufgabe maßgeblichen Fragestellungen in der Rechtsprechung in einer Weise behandelt worden sind, dass ihre Aufarbeitung in einem Gutachten keine besonderen Schwierigkeiten mehr aufwirft. Um die inhaltliche Tragfähigkeit dieses Anknüpfungspunktes anzugreifen, hätte die Klägerin etwa rügen können, dass einschlägige Rechtsprechung nicht vorliegt oder unzugänglich war oder die Probleme der Aufgabenstellung nur mangelhaft oder aber kontrovers behandelt. Das ist nicht geschehen.
Es bestehen auch keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung des VG, dass bei mehreren Klausuren ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 JAG 1993 nicht vorliege, obwohl sie nur von Praktikern bewertet worden seien. Nach dieser Vorschrift "soll" bei der Bewertung der Aufsichtsarbeiten im ersten juristischen Staatsexamen einer der Prüfer dem Kreis der Hochschullehrer angehören, die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 JAG 1993 zu Prüfern berufen werden können. Aus den Listenaufzeichnungen in den Verwaltungsvorgängen des beklagten Amtes ergibt sich, dass aus dem Klausurensatz, an dem die Klägerin teilgenommen hat, 788 Klausuren zu bewerten waren und Prüfer des genannten Personenkreises bei 261 Klausuren beteiligt waren.
Das VG ist davon ausgegangen, dass Hochschullehrer nicht durch hochschulrechtliche oder sonstige Regelungen verpflichtet werden, an juristischen Staatsprüfungen mitzuwirken. Die gegenteilige Rechtsbehauptung hat die Klägerin nicht substanziiert. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr werden Hochschullehrer Prüfer in den juristischen Staatsprüfungen, indem sie nach den Verfahrensregeln in §§ 4, 27 und 28 JAG 1993 zu stellvertretenden Vorsitzenden oder weiteren Mitgliedern eines Prüfungsamtes berufen werden. Zu diesen Verfahrensregeln gehört u. a., dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 JAG 1993 nur diejenigen Hochschullehrer zu weiteren Mitgliedern eines Justizprüfungsamtes bei einem Oberlandesgericht berufen werden können, die von dem rechtswissenschaftlichen Fachbereich vorgeschlagen worden sind, dem sie angehören. Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt, dass das beklagte Amt Hochschullehrer nicht zu Prüfern berufen hätte, obwohl bei ihnen die genannten Voraussetzungen für eine Berufung vorlagen.
Danach kommt es - wie das VG zutreffend ausgeführt hat - darauf an, ob sich genügend zu Prüfern berufene Hochschullehrer finden, die zur Mitwirkung an einem bestimmten Klausurentermin bereit und in der Lage sind. Ist das nicht der Fall, liegt ein triftiger Grund vor, von der Soll-Vorschrift des § 11 Abs. 2 JAG 1993 abzuweichen.
Vgl. zur ähnlichen Rechtslage im JAG 1979 OVG NRW, Urteil vom 14.9.1988 - 22 A 596/87 - und das dazu ergangene Urteil des BVerwG vom 8.5.1989 - 7 C 86/88 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 263.
Konkrete Anhaltspunkte für eine diesen Anforderungen nicht genügende Praxis des beklagten Amtes hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber ist offenbar vom beruflichen Ethos der als Prüfer in Betracht kommenden Hochschullehrer ausgegangen und hat keine Sanktionsmöglichkeiten für die Justizprüfungsämter vorgesehen, um deren Mitwirkung an den juristischen Staatsprüfungen erzwingen zu können. Ob dies den Gesetzgeber zu einer Änderung hochschulrechtlicher oder justizprüfungsrechtlicher Regelungen veranlassen sollte, ist eine rechtspolitische und keine justiziable Frage. Bei der bestehenden Rechtslage genügt es jedenfalls, die Prüfer - gegebenenfalls mehrfach - zur Mitteilung aufzufordern, an welchen Prüfungsterminen sie teilzunehmen bereit und in der Lage sind. Das ist nach den von der Klägerin nicht substanziiert angegriffenen Feststellungen des VG aufgrund der Angaben des beklagten Amtes geschehen. Der Senat hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass das beklagte Amt Prüfer aus dem Personenkreis des § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 JAG 1993 nicht herangezogen hätte, obwohl sie zu einer Teilnahme bereit und in der Lage waren.
Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt die gemäß § 12 Abs. 2 JAG 1993 notwendige "selbständige Begutachtung" der Hausarbeit durch die Mitglieder der Prüfungskommission nicht voraus, dass diese die Bewertung der jeweils anderen Prüfer nicht kennen. Dies ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des BVerwG geklärt.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.1.1995 - 22 A 1834/90 -, NWVBl. 1995, 225 = NVwZ 1995, 800; für eine Neubewertung nach Prüferwechsel: BVerwG, Urteil vom 10.10.2002 - 6 C 7/02 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 402 = NJW 2003, 1063, und dem folgend OVG NRW, Urteil vom 22.5.2003 - 14 A 4813/96 -, NRWE.
An das verwaltungsinterne Kontrollverfahren nach Widerspruch gegen eine Bewertung sind insoweit keine zusätzlichen Anforderungen zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, warum demgegenüber der von der Klägerin zitierten älteren Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg zur Bewertung von Abiturprüfungsleistungen durch mehrere Prüfer "unabhängig voneinander" der Vorzug zu geben sein könnte.
Ende der Entscheidung
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